Beim Thema „moderne Finanzinstrumente“ denken die meisten Anleger in erster Linie an ETFs, Zertifikate und vielleicht noch Optionsscheine. Eine völlig zu Unrecht vernachlässigte Anlageklasse unter Privatanlegern sind Optionen. Diese standardisierten Instrumente bieten gegenüber Optionsscheinen und Zertifikaten entscheidende Vorteile und ermöglichen dem Investor – wenn sie richtig eingesetzt werden – einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber der Masse der Börsenteilnehmer, die sich damit nicht befassen und nur “Long” oder “Short” handeln.
Optionen – dieses Thema verbinden viele Anleger bestenfalls mit „Zockerei“. Oft werden Optionen aber auch mit Optionsscheinen, Zertifikaten oder gar mit den sogenannten „binären Optionen“ gleichgesetzt, was nicht nur falsch, sondern vor allem irreführend ist. Der wichtigste Unterschied von Optionen zu den anderen genannten Finanzinstrumenten ist, dass der Investor beim Optionshandel kein Geschäft mit einem Emittenten abschließt, sondern – wie bei einer Aktie – die Option direkt an der Börse kauft oder verkauft. Warum ist dieser Unterschied so wichtig? Optionen sind daher transparent, sowohl bei der Vertragsbedingungen als auch in puncto Preisbildung. Und: Ein Ausfallrisiko bzgl. eines Emittenten existiert nicht. Und dadurch, dass ein Investor sowohl eine Long- als auch eine Shortposition eingehen, also auf steigende oder fallende Kurse setzen kann, bieten Optionen darüber hinaus maximale Flexibilität.
Damit im Folgenden klar wird, wie Privatanleger Optionen gewinnbringend einsetzen können, gilt es zu definieren, was eine Option überhaupt ist. An der Börse werden Kaufoptionen (englisch „Calls“) und Verkaufsoptionen („Puts“) unterschieden. Der Käufer eines Calls erwirbt das Recht, bis oder an einem Zeitpunkt in der Zukunft, ein sogenanntes Underlying zu einem festgelegten Preis zu kaufen. Dieses Underlying kann beispielsweise eine Aktie, ein Aktienindex, ein Rohstoff oder eine Währung sein. Der Verkäufer dieses Calls verpflichtet sich, dem Optionskäufer dieses Underlying zu dem festgelegten Preis („Strike“) zu liefern. Der wichtigste Unterschied: Der Optionskäufer erwirbt ein Recht, der Optionsverkäufer geht eine Verpflichtung ein. Letzterer erhält als Gegenleistung für die Übernahme dieser Verpflichtung eine Prämie. Die Höhe der Prämie orientiert sich an der Wahrscheinlichkeit, dass der Optionskäufer sein Recht ausübt. Denn dieser wird von seinem Recht natürlich nur dann Gebrauch machen, wenn es für ihn wirtschaftlich Sinn macht, also das Underlying an der Börse teurer ist als der Strike der Option. Put-Optionen unterscheiden sich von Call-Optionen nur darin, dass der Käufer einer Put-Option das Recht erwirbt, das Underlying zum festgelegten Preis zu verkaufen und der Verkäufer dieses Puts folglich das Underlying zu diesem Preis übernehmen muss, wenn es der Put-Käufer denn wünscht.
Klingt kompliziert? Ist es aber nicht, wie folgendes Beispiel zeigt: Angenommen, eine Call-Option auf die Apple-Aktie mit einem Strike-Preis von 160 USD und einer Restlaufzeit von 38 Tagen notiert aktuell bei ca. 1,36 USD. Der Käufer dieses Calls erwirbt somit das Recht, 100 Apple-Aktien (eine US-amerikanische Aktienoption bezieht sich immer auf 100 Aktien), deren aktueller Kurs 154 USD beträgt, innerhalb der nächsten 38 Tage zu einem Preis von 160 USD vom Optionsverkäufer zu beziehen. Dafür bezahlt er diesem eine Prämie von 136 USD (entspricht dem Callpreis von 1,36USD x100). Diese Prämie kann der sogenannte Stillhalter (der Optionsverkäufer) in jedem Fall behalten. Sollte die Aktie innerhalb der nächsten Zeit tatsächlich über 160 USD steigen, wird der Optionskäufer sein Recht ausüben, und der Verkäufer muss die Aktie liefern. Besitzt er keine Apple-Aktien, muss er sie an der Börse kaufen.
Eine Put-Option mit einem Strike-Preis von 148 USD kostet im gleichen Szenario übrigens ungefähr das Gleiche, nämlich 1,39 USD. Der Put-Käufer erwirbt dabei das Recht, die Apple-Aktie zu einem Preis von 148 USD an den Stillhalter (Optionsverkäufer) zu verkaufen. Dieser erhält dafür eine Prämie von 139 USD. Das lohnt sich für den Put-Käufer nur, wenn der Preis der Aktie während der Optionslaufzeit tatsächlich unter 148 USD fällt. Die Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, ist natürlich, ob die Prämie den Optionsverkäufer angemessen für das übernommene Risiko entschädigt?
Hierfür gilt es zunächst zu klären, wie der Preis zustande kommt. Diese Frage ist einfach zu beantworten: durch Angebot und Nachfrage. Die Börse ist der Marktplatz, wo sich Optionskäufer und -verkäufer treffen und ihre Gebote abgeben. Genauso, wie in der volkswirtschaftlichen Theorie, findet sich der Preis dort, wo sich Angebot und Nachfrage ausgleichen. Es gibt also keine höhere Instanz, die die Optionspreise festlegt. Ein Stillhalter wird sich also die Frage stellen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das Underlying den Strike-Preis erreicht und in Abhängigkeit davon die Prämie kalkulieren. Im Prinzip agiert er wie eine Versicherungsgesellschaft. Letztere übernimmt auch Risiken und kalkuliert die Prämien gemäß der Eintrittswahrscheinlichkeit. Der Versicherungsnehmer dagegen ist bereit, die Prämie zu bezahlen, weil er dann von größeren finanziellen Verlusten freigestellt wird. Der Käufer des Apple-Puts agiert ebenso. Er hat vielleicht Apple-Aktien im Depot und möchte sich gegen einen Börsencrash versichern. Er bezahlt also eine Prämie für das Recht, seine Aktie zu einem Mindestpreis von 148 USD verkaufen zu dürfen.
Bezogen auf das Beispiel der Versicherungsgesellschaft lässt sich sagen: Da diese gewinnorientiert agiert, wird sie einen Aufschlag auf die „faire“ Prämie verlangen. Die Prämie ohne diesen Aufschlag dient dazu, den Versicherungsfall zu decken, der Aufschlag ist der Gewinn. An der Börse läuft es ähnlich. Die Prämien, die dort bezahlt werden, enthalten in der Regel auch einen Gewinnaufschlag. Clevere Stillhalter können diesen dauerhaft vereinnahmen und damit Renditen erwirtschaften, die deutlich über langfristigen Aktienrenditen liegen. Denn es lässt sich tatsächlich beweisen, dass Optionen im langjährigen Schnitt zu teuer sind. Genau darin liegt der Wettbewerbsvorteil des Stillhalters. Der Käufer einer Option dagegen agiert von Anfang gegen die Wahrscheinlichkeit. Er startet quasi mit einem Handicap, wie der Roulettespieler, der auf Schwarz oder Rot setzt und eine Gewinnwahrscheinlichkeit von unter 50 Prozent hat.
Wie lassen sich Optionen denn nun am besten clever einsetzen? Für Stillhalter bieten sie die größtmögliche Flexibilität. Generell können Aktionäre Optionen verwenden, um bei bestehenden Aktienpositionen Zusatzeinnahmen zu generieren bzw. um preiswerter Aktieninvestments aufzubauen als durch ein Direktinvestment. Trader können ihre Marktmeinung (steigende bzw. fallende Kurse oder Seitwärtsbewegung) handeln und mittels Optionen bessere Chance-/Risikoverhältnisse generieren als durch einen einfachen Aktienkauf bzw. eine Shortposition in Aktien. Nicht-direktionale Trader (ohne Marktmeinung) bauen mittels einer geschickten Kombination aus gekauften und verkauften Optionen – bei der die positiven Effekte aus den Verkäufen überwiegen – eine sogenannte Netto-Stillhalterposition und somit dauerhaft regelmäßige Einnahmen auf. Allerdings ist das Ganze nicht so trivial wie der einfache Kauf einer Aktie an der Börse. Stillhalter sind vor allem Risikomanager. Sie haben ein theoretisch unbegrenztes Risiko. Dem gegenüber steht ein Gewinn, der auf die erhaltene Prämie begrenzt ist. Der Schlüssel zum Erfolg ist, das Risiko zu kontrollieren – genau, wie es die Versicherungsgesellschaft auch macht. Um existenzbedrohende Schäden zu vermeiden, schließt diese wiederum Rückversicherungen ab. Genauso sollten Stillhalter das auch tun. Clevere Optionsstrategien zeichnen sich daher u.a. durch eine Kombination von gekauften und verkauften Optionen aus. So lässt sich das Risiko begrenzen und der „Prämienaufschlag“ trotzdem abschöpfen.
Zugegebenermaßen ist der Weg zum erfolgreichen Optionshändlervor allem ein Lernprozess. Stillhalter, die nachhaltig und gewinnbringend handeln, haben in ihre Ausbildung Zeit investiert. Privatanleger sollten daher nicht den Fehler begehen, einfach loszulegen. Damit wären sie der Goldfisch im Haifischbecken. Denn auf dem Optionsmarkt tummeln sich immer noch zum allergrößten Teil professionelle Investoren, die genau wissen, was sie tun. Das sollt Privatanleger aber nicht abschrecken, sondern – im Gegenteil – motivieren, dieses faszinierende Anlagevehikel genau zu durchdringen und genau wie die „Professionals“ konstant satte Renditen zu erwirtschaften. Die Marktstatistik ist dabei auf ihrer Seite.