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Optionen rollen – ja oder nein?

Ist es eigentlich sinnvoll, Optionen zu rollen? Oder sollte man ganz davon Abstand nehmen?

Strenggenommen ist ein Trade nach dem Rollen ein neuer Trade; der alte wurde zugemacht. Man muss sich also immer bei der Grundsatzentscheidung „Rollen ja/nein“ fragen, ob das Marktszenario, was mich den Ausgangstrade hat machen lassen, noch gültig ist. Die Antwort sollte dabei nicht lauten: Ich bin nicht mehr so sicher, dass das Szenario noch eintritt, aber ich will unbedingt auf Break-Even kommen. Dies ist ein denkbar schlechtes Motiv für jede Art von Trade (wiewohl viele Anleger aller Produktklassen dies so probieren, dabei aber in den wenigsten Fällen finanziellen Erfolg haben). Aber es kann durchaus gute Gründe geben, einen Trade weiterzuführen; als Optionstrader brauchen wir in vielen Fällen eben nicht einen harten Stopp zu setzen und uns in vielen Fällen unglücklich ausstoppen lassen. Insbesondere spielen folgende Faktoren herein:

  • der „monetäre Stopp“ (maximaler realisierter Verlust beim Rückkauf von Kontrakten) ist noch ein ganzes Stück entfernt · die Optionspreisstruktur bietet attraktive neue Kontrakte (z.B: durch den Volatilitäts-Skew, also die Verteilung der impliziten Volatilitäten bei verschiedenen Ausübungspreisen
  • ein weiterhin attraktives Szenario z.B. mit hohem IV-Rank (IV des betrachteten Basiswertes relativ zum letzten Jahr – oder mehreren Jahren – auf hohem Niveau. Grundlregeln für das Rollen wurden schon in den vergangenen Beiträgen definiert, z.B:
  • Es wird nicht das Risiko erhöht durch Erhöhung der Kontraktzahl. Dies meint: man könnte der Versuchung erliegen, einen Kontrakt zu rollen in mehrere, die dann zusammen so viel Prämie bringen wie der zurückzukaufende und dabei noch weiter aus dem Geld sind. Vorsicht Falle hier: Sie erhöhen das Risiko des Trades – denn wer garantiert, dass sich der Basiswert nicht weiter in die „falsche“ Richtung bewegt und dann eine größere Position als ursprünglich gedacht in Bedrängnis gerät? Nochmal zum Verdeutlichen: Wir erhöhen das Risiko beim Rollen nicht.
  • Wir werfen einem nicht gut laufenden Trade auch kein gutes Geld hinterher, weswegen wir immer für „even-money“ oder besser rollen.

Diese beiden Grundregeln machen die Optionen anderen Anlageklassen, wenn der Trade gegen einen läuft, überlegen. Geben Sie diese Überlegenheit nicht auf, indem Sie nicht sinnvolle Rollstrategien verwenden! Wir haben auch schon diskutiert, wann es aufgrund der Marktstruktur leichter oder schwieriger ist, nackte Optionskontrakte zu rollen. Am Beispiel Index-Optionen (mit ihren starken Skews) wird deutlich, dass es hier viel leichter ist, auf der Unterseite gegen den Skew zu rollen als auf der Oberseite in die kleineren Impliziten Volatilitäten hinein.

Wie sieht es mit dem Rollen von Credit Spreads aus? Geht das genauso gut, wie nackte Optionen rollen, oder gar besser? Die Antwort ist: NEIN, es geht nicht besser, sondern ist in vielen Fällen ungünstiger! Das alleine sollte einen nun nicht dazu bringen, nackt statt Spread zu verkaufen, wenn das Konto es nicht erlauben würde. Aber es ist gut, den Zusammenhang zu kennen.

Der Schlüssel zur Antwort, warum das Rollen bei vertikalen Credit Spreads limitiert ist, ist der Zeitwert der Optionen. Als Trader sind Sie bei dieser Strategie eine Option short (Zeitwertgewinn zu Ihrem Gunsten) und eine long (Zeitwertverlust zu Ihrem Ungunsten). Typischerweise wird ein Credit Spread komplett „aus dem Geld“ eröffnet – beide Optionen bestehen nur aus Zeitwert und nicht aus innerem Wert. Die teurere, geschriebene, näher am Geld befindliche hat demnach einen höheren Zeitwert und höheren Zeitwertverfall (Theta) als die weiter aus dem Geld befindliche, gekaufte Option. Darin liegt ja das Prinzip dieses Trades.

Was aber passiert, wenn der Markt gegen uns geht: Irgendwann geht meine Short Option ins Geld; bewegt sich der Markt weiter gegen mich, so geht die Long Option an das Geld (und eventuell darüber hinaus). Der Zeitwert einer Option ist am Geld am größten. Ab diesem Zeitpunkt wird der Zeitwert der long Option (der gegen mich wirkt) größer sein, als derjenige der Short Option, die dann viel inneren Wert aufgebaut hat; der Gesamt-Zeitwertverlust wird deshalb gegen mich arbeiten; der Erwartungswert negativ sein und die Position – wenn denn dann der Markt stillhält – immer mehr wert werden (gegen meine Wünsche: Zur Erinnerung, ich bin diesen Spread short):

Kommen wir nun zum Rollen dieser Position (Annahme: Die Impliziten Volatilitäten sind für den alten und neuen Verfall beim selben Strike der Option identisch): Wenn wir nur versuchen würden, uns etwas Zeit zu verschaffen (Späteren Verfall der Kontrakte), ohne auch nur dran zu denken, andere Strikes zu wählen, so müssten wir dafür Geld nachschießen: Mehr Zeitwert der long Option nachkaufen beim Rollen als wir für die Short Option extra verkaufen können (denn die Short Strikes sind ja im Beispiel weiter weg vom Geld und haben daher weniger Zeitwert). Man kann es sich auch anders vorstellen: Dazu schaue man in ein GuV-Profil und stelle sich vor, man würde „die Zeit gegenüber dem Verfall um 4 oder 5 Wochen zurückdrehen“; letztlich ist ein Rollen in späteren Verfall – andere Faktoren identisch – nichts anderes.

Deshalb ist Rollen bei vertikalen Spreads nur dann sinnvoll, wenn man es rechtzeitig macht. Ein gewisser Abstand der Strikes zum Markt ist nötig; Ein Delta von nicht mehr als 30-35% im Short Strike (aber auch abhängig vom Basiswert und seiner IVStruktur) ist als letzter Punkt zum sinnvollen Rollen anzustreben.

Ich möchte noch auf einen „Trick“ hinweisen – und gleich davon abraten, ihn zu benutzen: Selbstverständlich ist es möglich, die Strikes weiter auseinander zu wählen beim Rollen: Hat man vorher vielleicht einen Strike-Abstand von 20 so nimmt man jetzt halt 40 – so einfach kann man mehr Prämie einnehmen! Aber Vorsicht: Wenn Sie das tun, erhöhen Sie das Risiko. Vertikale Spreads zeichnen sich durch definiertes Risiko aus; danach bestimmt man normalerweise die Anzahl der Kontrakte pro Sorte. Wenn ich die Strikes auseinander ziehe, erhöhe ich das Risiko der Position! Denken Sie an zwei Grundregeln seriösen Tradens: Wir schießen einer schlecht laufenden Position kein gutes Geld nach, und wir erhöhen im Verlust nicht das Risiko – sofern dies nicht von vorneherein, wie z.B. beim 123-Butterfly, in der Strategie festgeschrieben ist.

Fassen wir also zusammen: Den Vorteilen, die vertikale Spreads gegenüber nackt verkauften Optionen im Bereich Risikokontrolle haben, steht – neben ein paar anderen, zu einem späteren Zeitpunkt behandelten – ein wichtiger Nachteil beim Rollen gegenüber: Sinnvollem Rollen sind bei Spreads engere Grenzen gesetzt. Aber wie immer gilt: Wissen ist die Basis für Erfolg, und wir hoffen, dass dieser Beitrag Ihnen auf diesem Weg weiter geholfen hat.

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